Luftaufnahme Heilbronn © Stadt Heilbronn
Allgemein, Anliegenmanagement, Best Practice, Bürgerservice

Bürgerservice im Praxistest – Das Reallabor Mängelmelder in Heilbronn

Wie können neue digitale Angebote im Bürgerservice sinnvoll an den Start gebracht und getestet werden? Im folgenden Artikel präsentiert Laura Stoppok von der wer denkt was GmbH das Reallabor „Mängelmelder Heilbronn“ im Rahmen der Vision „Digitale Stadt 2030“ als Praxisbeispiel.

Viele Städte und Kommunen nutzen bereits digitale Mängelmelder, um Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, illegalen Müll, defekte Beleuchtung oder Straßenschilder zu melden – per App und über ein Webportal. Meist folgt für das neue Anliegenmanagementsystem bei den Stadtverwaltungen nach einer kurzen Einführungs- und Testphase sofort der Dauerbetrieb. Die Stadt Heilbronn ist hier einen anderen Weg gegangen. Um mit ihren digitalen Konzepten möglichst dicht an den Bedürfnissen der Bürgerschaft zu sein, haben sie den Mängelmelder ein Jahr als sogenanntes Reallabor getestet.

Das Konzept des Reallabors und die Strategie Vision 2030

Der Mängelmelder Heilbronn ist ein Baustein der Digitalisierungsstrategie. 2017 hat die Stadt Heilbronn eine umfangreiche Digitalisierungsstrategie begonnen und im Rahmen einer Machbarkeitsstudie 15 Projekte herausgefiltert, die in Form von Reallaboren getestet werden sollten (vgl. Strategie Digitale Stadt Heilbronn 2030, S. 100). Technische Projekte sollen in Heilbronn kein Selbstzweck sein, sondern Probleme lösen und so die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger verbessern (vgl. ebd., S. 9).

Ziel der Strategie ist es, den Lebensraum “Stadt” für alle Menschen attraktiver zu gestalten. Durch Digitalisierung wird so die Effizienz der Verwaltung gesteigert. Auch das Verwaltungshandeln soll transparenter und nachvollziehbarer werden.

Die Entwicklung der Digitalisierungsstrategie basiert auf den folgenden Prinzipien:

  • Partizipativ: (Externe) Experten und Fachämter wurden in den Entwicklungsprozess mit einbezogen
  • Umfassend: Die Strategiefelder wurden auf ihr Potential geprüft, bevor Maßnahmen erarbeitet wurden.
  • Realistisch: Im Rahmen einer Machbarkeitsprüfung wurden die Projekte auf ihre Umsetzbarkeit und ihren Mehrwert untersucht.
  • Pragmatisch: Zeit und Aufwandsschätzungen wurden durchgeführt, und detaillierte Projektbeschreibungen erstellt.

Für die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie wurde eine Stabsstelle für Stadtentwicklung und Zukunftsfragen eingerichtet. (vgl. ebd. S. 24, S. 32)

Der Mängelmelder Heilbronn als Projekt der Digitalisierungsstrategie

Eines der Reallabore ist im Rahmen der Digitalisierungsstrategie 2030 das Anliegenmanagementsystem Mängelmelder. Wir als wer denkt was GmbH haben das Projekt im Herbst 2020 gemeinsam mit der Stabsstelle für Stadtentwicklung und Zukunftsfragen umgesetzt. Mit einem Anliegenmanagementsystem möchte die Stadt noch mehr auf Bürgerinnen und Bürger zu gehen:

Ein online-basiertes Anliegenmanagement, das die individuellen Anliegen der Bürgerschaft systematisch erfasst und die Basis für eine effiziente Auftragsbearbeitung bildet, besitzt ein großes Potenzial die Bürgerschaft zu aktivieren und zur Verbesserung der Servicequalität, der Bürgerzufriedenheit und der Transparenz des Verwaltungshandelns beizutragen. (Strategie Digitale Stadt Heilbronn 2030, S. 94)

Bürgerinnen und Bürger sowie Besucherinnen und Besucher der Stadt können Defekte an der Infrastruktur oder Verschmutzungen melden. Im Hintergrund bietet die Technik den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Stadtverwaltung organisatorische Abstimmungen durchzuführen und so die reibungslose Bearbeitung zu gewährleisten.

Aktuell kann die Bürgerschaft der Stadtverwaltung über den Mängelmelder Hinweise zu den Themen “Beleuchtung”, “Grünanlagen”, “Spielplätze und Friedhöfe”, “Straßen und Verkehr”, “Müll und Abfall”, “Öffentliche Gebäude und Brunnen” geben.

Wie wird der Mängelmelder Heilbronn von der Bevölkerung angenommen?

Ein erstes Zwischenfazit hat die Stadt Heilbronn ca. nach 6 Monaten im Echtbetrieb gezogen. 1.132 Meldungen waren eingegangen. Der Eingang über die verschiedenen Kanäle war relativ ausgewogen. Etwa die Hälfte der Meldungen wurde per App abgegeben, die andere Hälfte über die Website. Auch die beiden Betriebssysteme iOS und Android erfreuten sich seitens der Bürgerinnen und Bürger Beliebtheit in gleicher Maßen. 28,45% der Meldungen gingen über iOS Geräte ein, 26,24% über Android. Die übrigen 45,32% fallen auf die Nutzung der Website.

Das Aufkommen der Meldungen je Kategorie hat die Stadt Heilbronn bei ihrer Betrachtung ebenfalls genauer unter die Lupe genommen. Als Spitzenreiter erweisen sich dabei die Themen Straßen-, Rad-, und Fußwege (294 Meldungen) sowie illegale Müllablagerungen (264 Meldungen). Am unteren Ende der Skala befinden sich Kategorien wie „Friedhöfe“ (6 Meldungen) und Parkbeleuchtungen (9 Meldungen). An dieser Stelle zeigt sich, wie sinnvoll eine lange Pilotphase, wie im Falle des Reallabors sein kann. Kategorien, die kaum Anwendung finden, können vor dem Dauerbetrieb wieder aus dem System entfernt werden. Ein erstes Fazit fiel positiv aus. Laut der Stadtverwaltung Heilbronn wird der Mängelmelder gut angenommen.

Ausblick

Die Probephase im Reallabor endet im Winter 2021. Am Ende wird die Stadt Heilbronn bewerten, ob die Testphase ein Erfolg war. Falls ja, kann der Mängelmelder in Heilbronn ein dauerhaftes Tool im Rahmen der Digitalisierungsstrategie werden und wird weiterhin als Online-Bürgerservice angeboten. Vorteile eines Reallabors sind vor allem die Praxiserfahrungen. Der lange Testbetrieb hilft dabei zu ermitteln, ob Bürgerinnen und Bürger den Bedarf haben online Mängel zu melden. Auch die Bearbeitung innerhalb der Ämter kann erprobt werden. Die Stadtverwaltung kann somit nach Abschluss der Testphase Kategorien inhaltlich noch einmal anpassen oder Zuständigkeiten und Prozesse verändern. Denn durch die Kommunikation als Reallabor ist allen Beteiligten klar, dass es sich um einen Test handelt und Änderungen möglich sind. Auch Bürgerinnen und Bürger sollten dadurch mehr Verständnis für Anpassungen haben.

Über die Autorin:
Laura Stoppok ist Teamleiterin für den Produktbereich Mängelmelder bei der wer denkt was GmbH. Sie betreut seit 2017 Projekte auf dem Gebiet Anliegenmanagement. Schwerpunktmäßig befasst sie sich mit der inhaltlichen und technischen Konzeption von kommunalen, kartenbasierten Ticketmanagementsystemen. Außerdem unterstützt sie Stadtverwaltungen bei der Prozessgestaltung zur Bearbeitung der Bürgeranliegen.

Weiterführende Informationen und Quellen

Digitalisierungsbericht Stadt Heilbronn 2019/2020 (PDF 2 MB)
Kurzpräsentation zum Digitalisierungsbericht (PDF 3 MB)
Strategie Digitale Stadt Heilbronn 2030 (PDF 4 MB)

Beitragsbild

Luftaufnahme der Stadt Heilbronn, © Stadt Heilbronn