Beispielbild: Erfolgreiche Bürgerbeteiligung - Digitale Ideenkarten
Allgemein, Best Practice, Stadtentwicklung

Wie digitale Ideenkarten zu erfolgreicher Bürgerbeteiligung beitragen

Um Bürgerinnen und Bürger an kommunalpolitischen Themen zielgerichtet zu beteiligen, kommen in letzter Zeit verstärkt sogenannte digitale Ideenkarten zum Einsatz. Dabei können auf einer Karte, meist in einem festgelegten Gebiet, Anregungen und Vorschläge eingereicht und kommentiert werden. Diese erscheinen dann in Form von Markern verschiedener Farben und Formen auf der Karte. Doch der Einsatz der Karte macht nicht immer Sinn. Theresa Lotichius, Geschäftsführerin der wer denkt was GmbH, erklärt, wann ortsbasierte Beteiligungsverfahren wie digitale Ideenkarten zielführend sind.

Was macht den Erfolg der digitalen Ideenkarte eigentlich aus?

Viele finden es schicker, eigene Ideen auf einer digitalen Karte anzupinnen. Das geht nicht nur schneller als einen langen Text zu schreiben. Auch für diejenigen, die sich über bereits eingegebene Ideen informieren wollen, bietet die Karte einen einfachen und rascheren Zugang. Statt Textwüsten und Listen kann man hier im Stadtgebiet navigieren und sich die Ideen anschauen, die in der unmittelbaren Nähe liegen. Letzteres ist vor allem wichtig, weil Bürgerinnen und Bürger als Alltagsexperten insbesondere die Dinge interessieren, die sie in ihrem eigenen Lebensumfeld auch betreffen.

Beispielbild für E-Partizipation, Beteiligung via digitale Ideenkarte
© asawinklabma, stock.adobe.com

Digitale Ideenkarten bieten viel einfacher die Möglichkeit, an Wohn- und Arbeitsplatz, Ausgeh- und Einkaufsrouten gezielt Verbesserungsvorschläge anzubringen.

Immer dann, wenn es um die Frage geht, wie man Bürgerinnen und Bürger erreicht und möglichst noch dazu bringt, sich auch einzubringen („Aktivierung“), fallen Schlagworte wie „Betroffenheit“ und „Involvement“. Man geht davon aus, dass Menschen, die sich inhaltlich von einem Projekt oder einem Vorhaben der Stadt betroffen fühlen, eher motiviert sind, mitzumachen. Für Bürgerinnen und Bürger ist es ja immer auch eine Abwägung von Kosten und Nutzen: Lohnt es sich, hier Zeit und Energie aufzuwenden, die eigene Meinung kund zu tun? Hier gilt die Formel:

Umso höher die „Betroffenheit“, desto höher die Wahrscheinlichkeit der Beteiligung.

Natürlich spielen noch andere Faktoren eine Rolle, beispielsweise, wie mit den Ergebnissen der Beteiligung umgegangen wird. Das Konzept der Betroffenheit ist trotzdem ein wichtiger Ansatzpunkt für die Aktivierung von Bürgerinnen und Bürgern in Beteiligungsverfahren. Dabei ist „Betroffenheit“ in diesem Zusammenhang nicht so negativ belastet wie im allgemeinen Sprachgebrauch. Es geht also nicht darum, von etwas Negativem betroffen zu sein. Stattdessen ist allgemein ein Bezug zu einem Projekt oder Thema relevant. Meist wird dieser Bezug über eine inhaltliche Ebene hergestellt: Wenn jemand beispielsweise täglich mit dem Rad zur Arbeit fährt, betrifft ihn oder sie ein kommunales Radwegekonzept unmittelbar. Aber auch Personen, die gar kein Fahrrad besitzen, können vom Radwegenetz betroffen sein. Das ist dann der Fall, wenn die geplanten Änderungen, Projekte und vielleicht sogar Baustellen zur Umsetzung des Radwegekonzeptes vor ihrer Haustür oder auf ihrem Weg zur Arbeit liegen und die eigene Mobilität einschränken oder erweitern.

Neben der inhaltlichen Betroffenheit muss also auch die sogenannte nahräumliche Betroffenheit berücksichtigt werden.

Diese nahräumliche Betroffenheit ist ein wichtiger Grund dafür, dass digitale Ideenkarten oftmals erfolgreicher sind als die reinen textbasierten Beteiligungsverfahren. Dies kann man beobachten, wenn man sich folgendes Praxisbeispiel vor Augen führt: die Onlinebeteiligung zum städtischen Haushalt in Monheim am Rhein. Bis 2016 konnten die Bürgerinnen und Bürger ihre Ideen und Vorschläge jährlich online abgeben – jedoch nur in reiner Textform. Ab 2017 führte die Stadtverwaltung für das Verfahren eine interaktive Ideenkarte ein. Vergleicht man die Beteiligungszahlen so zeigen sich deutliche Unterschiede.

Vergleich Ideenkarten: Textbasierte Ideensammlung Monheim bis 2016
Verfahren bis 2016

 

Vergleich Ideenkarten: Kartenbasierte Beteiligung in Monheim seit 2017
Verfahren ab 2017

 

Wurden in 2016 noch 109 Ideen (inklusive der städtischen Investitionen und Highlights), 148 Kommentare gesammelt und mit 1.441 Stimmen bewertet, waren es bei der Ideenkarte in 2017 insgesamt mit 223 Ideen mehr als doppelt so viele Eingaben. Bei den Kommentaren gab es eine Steigerung um 80% (267 statt 148 Kommentare) . Und auch die Stimmabgaben gingen nach Einführung der interaktiven Karte mit über 2.000 Stimmen deutlich nach oben. Die nahräumliche Betroffenheit kann mit Ideenkarten also abgebildet und zur Aktivierung der Bürgerschaft genutzt werden.

Darüber hinaus: Beteiligung via Ideenkarte macht mehr Spaß.

Ja, Bürgerbeteiligung kann, darf, soll sogar Spaß machen, denn Spaß ist ein großartiger Motivationsfaktor. Das Navigieren, Zoomen und Klicken auf der interaktiven Karte bereitet den meisten Menschen mehr Freude als das Sortieren und Filtern von Listen. Ganz klar: Es gibt auch Listenliebhaber. Und: Keine Angst, die bleiben bei den Ideenkarten nicht auf der Strecke. Für die Listenliebhaber hält die Ideenkarte auch eine Listendarstellung aller verorteten Ideen bereit.

Aber: Wann sind ortsbasierte Onlineverfahren mit Ideenkarte überhaupt sinnvoll?

Es wäre vorschnell, interaktive Ideenkarten auf ein Podest zu heben und von nun an für alle digitalen Beteiligungsprojekte einzuführen. Denn: Vorschläge, die keinen Ortsbezug haben, weil sie allgemeiner Natur sind, sich auf ein ganzes Gebiet beziehen oder eher abstrakt gehalten sind, lassen sich auf einer Ideenkarte gar nicht abbilden. Die Kommentierung von Entwürfen und Texten ist genau so wenig für Karten geeignet wie die Kommentierung und Abstimmung über eine feste Anzahl an Vorschlägen. Dazu gehört beispielsweise eine Abstimmung zum neuen Logo eines Projektes. Daher muss man feststellen: Wenn Ideenkarten nur zum Selbstzweck, „weil es schöner aussieht“ oder „weil Stadt XY das auch so gemacht hat“ eingesetzt werden, sind sie häufig fehl am Platz. Im richtigen Projekt und durchdacht eingesetzt bringen interaktive, digitale Ideenkarten aber viele Vorteile – vom Spaßfaktor über die bessere Visualisierung von Ideen bis hin zur stärkeren Aktivierung von Bürgerinnen und Bürgern.

 

Über die Autorin:
Theresa Lotichius ist Geschäftsführerin der wer denkt was GmbH. Sie betreut seit mehr als 5 Jahren Projekte im Bereich Digitale Bürgerbeteiligung, Anliegenmanagement und Bürgerbefragungen. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Konzeption und Beratung, Prozessgestaltung und der Begleitung sowie öffentlichen Kommunikation von Bürgerbeteiligungsprozessen.

Beitragsbild: © AbsolutVision, pixabay.com