Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) sind der größte Abwasserentsorger und Betreiber von Kläranlagen in Deutschland. Seit fast 100 Jahren bündeln sie ihre Kompetenz und sorgen gemeinsam für die Abwasserreinigung, Pflege von Gewässern oder die Regelung des Wasserabflusses im Herzen des Ruhrgebietes. Seit Oktober 2021 setzen EGLV dabei auch auf die Unterstützung der Menschen in der Region. Über den EGLV-Mängelmelder erhalten die Verbände seither Hinweise zu Schäden und Mängeln sowie Anregungen aus der Bevölkerung einfach per App oder Website. Nach gut eineinhalb Jahren Nutzung ziehen EGLV ein positives Fazit. Das System hat zu einer Entlastung des Beschwerdemanagements geführt und die Bürgerinnen und Bürger machen davon zunehmend Gebrauch. Im Artikel zeigt Christin Pfeffer, Referentin für Presse- & Öffentlichkeitsarbeit bei der wer denkt was GmbH, wie die digitale Partizipation am Fluss in der Praxis funktioniert.
Bürgerhinweisen gezielt nachgehen und Defekte schneller erkennen
Zirka 4.000 Quadratkilometer umfasst das Gebiet von EGLV. Fast 800 Kilometer Wasserläufe, Abwasserkanäle auf einer Länge von 1320 Kilometern sowie mehr als 500 Pumpwerke und knapp 60 Kläranlagen befinden sich dort. Überall für einen reibungslosen Ablauf und die Anlagensicherheit zu sorgen, ist daher eine gewaltige Aufgabe. Daher gibt es seit eineinhalb Jahren den EGLV-Mängelmelder. Per Smartphone können die Menschen damit von unterwegs Schäden, Überschwemmungen oder andere Auffälligkeiten direkt an EGLV melden.
Wer beim Spaziergang am Wochenende, bei der Radtour mit der Familie oder auf dem Weg zur Arbeit zum Beispiel Müll in Fließgewässern oder Kanälen beobachtet, überschwemmte Flächen sowie ungewöhnliche Gerüche wahrnimmt, kann EGLV über den Mängelmelder unbürokratisch und schnell informieren. Mit den Hinweisen können die Menschen die Verbände bei der Pflege des Flussgebietes und ihrer Anlagen unterstützen.

Ziel bei der Einführung des digitalen Mängelmelders war es vor allem, durch die Meldungen schneller von Verunreinigungen auf dem Gebiet Kenntnis zu erlangen sowie Hinweise zu Problemen im Umfeld der Gewässer, Kläranlagen, Pumpwerke oder Regenwasserbehandlungsanlagen zu erhalten. Frühzeitiges Erkennen und schnelles Reagieren sollen zur Anlagensicherheit und als Prävention gegen größere Schäden dienen.
Mehr als 1.000 Bürgerhinweise seit dem Start
Das Angebot trifft auf Zuspruch bei den Menschen der Region. Gut 1.000 Meldungen sind seit Oktober 2021 über den EGLV-Mängelmelder eingegangen. Etwa 30% der Meldungen wurden über die Mängelmelder-App eingereicht, 70% über die Website www.eglv.de/hinweis. Der Großteil der Meldungen betrifft dabei den Bereich Sauberkeit. Müll auf den Wegen, Wiesen und in den Wäldern ist der häufigste Grund für eine Meldung (45 %) via Mängelmelder. Auch wenn solche Müllablagerungen für einen Abwasserentsorger erst einmal nebensächlich erscheinen, haben sich EGLV bewusst für die Aufnahme der Kategorie entschieden. Der gemeldete Müll befindet sich häufig in unmittelbarer Gewässernähe. Daher sind EGLV um schnelle Entsorgung bemüht – bevor Regen oder Wind den Müll in die Gewässer tragen und es dann zu Umweltbelastungen, Verstopfungen oder Störungen im Abwasserkreislauf kommt.
Den Kernbereich von EGLV betreffen vor allem die Kategorien Beschädigung/Vandalismus, Umwelt – dazu gehören etwa Wassermangel, sterbende Fische – , Emissionen oder Vernässung. Hierzu gingen bislang knapp 200 Bürgerhinweise ein. Gemeldet wurden zum Beispiel ein verstopfter Regeneinlass, Schilder und Absperrungen in Gewässern. Auch Hinweise wie überschwemmte Waldwege in Nähe eines Pumpwerks, eine ausgediente Mikrowelle im offenen Kanal oder Defekte und Überschwemmungen in Nähe eines Regenrückhaltebeckens gingen ein. Ebenso gibt es hin und wieder Hinweise zu offenen Toren oder beschädigten Zäunen, denen EGLV nachgehen, um potenzielle Gefahrenstellen schnell abzusichern. Große Schadensmeldungen gingen über den Mängelmelder bislang noch nicht ein. Mit der Qualität der Meldungen sind EGLV dennoch sehr zufrieden. Die eingereichten Meldungen haben für EGLV eine hohe Relevanz und liefern gute Hinweise für ihre Arbeit. Spaßmeldungen habe es bislang keine gegeben, wie die Verbände mitteilen.

Digitales Beschwerdemanagement für beschleunigte Abläufe
Auch intern sorgt der Mängelmelder für eine deutliche Arbeitserleichterung. Gerade in Zeiten, in denen viele Hinweise innerhalb kurzer Zeit eingehen, etwa nach einem Sturm mit vielen umgestürzten oder abgeknickten Bäumen, hilft der schnelle Meldekanal. Grund hierfür ist das implementierte digitale Beschwerdemanagementsystem.
Die Meldungen, die über die App oder Website eingehen, werden über ein Beschwerdemanagementsystem verwaltet und bearbeitet. Schon vor der Einführung des Mängelmelders nutzten EGLV ein digitales Beschwerdemanagement. Allerdings kam das alte System an seine Grenzen. EGLV haben laut der Kommunikationsgruppe, bei der das Beschwerdemanagement integriert ist, nach einer Alternative gesucht. So wollte man zum einen mehr Effizienz und Schnelligkeit bei der Bearbeitung der Meldungen ermöglichen. Zum anderen sollte den Menschen in der Region ein einfacher Meldekanal geboten werden, der für Transparenz sorgt und im Alltag schnell einsetzbar ist.

Geodatenbasierte automatische Zuordnung
Jeder Bürgerhinweis wird nach erster Prüfung und Freigabe anhand von Kategorie und Fläche automatisch der jeweils zuständigen Organisationseinheit bzw. dem zuständigen Mitarbeitenden zugeordnet. Dabei interagiert das Mängelmeldersystem jeweils live mit dem GIS-Server ArcGIS und erhält dabei weitere relevante Informationen zum Ortspunkt, etwa den Namen des nahegelegenen Gewässers, Pumpwerks oder der benachbarten Kläranlage. Auch die zuständigen Organisationseinheiten werden standardmäßig mit abgefragt und übermittelt. Das System verteilt die Anliegen anschließend automatisch.
„Damit das in der Praxis reibungslos funktioniert, wurden vor der Einführung des Systems alle internen Prozesse durchgespielt, strukturiert und im System hinterlegt“, so Laura Stoppok von der wer denkt was GmbH. Die Teamleiterin für den Bereich Anliegen und Hinweise begleitet seit sechs Jahren Kommunen und Entsorgungsbetriebe bei der Einführung des Anliegen- und Beschwerdemanagementsystems Mängelmelder Pro. Auch EGLV nutzen diesen Mängelmelder. „Im Rahmen der Digitalisierung ist ein digitales Beschwerdemanagementsystem ein wichtiger Baustein und bringt zahlreiche Vorteile. Es bündelt einerseits alle notwendigen Informationen zu den Anliegen – z.B. den exakten Standort, eine Beschreibung, Fotos. Es ermöglicht andererseits, dass die Mitarbeitenden vom Schreibtisch aus eine erste Einschätzung zu Dringlichkeit und Ausmaß treffen und die Bearbeitung des Anliegens zügig anstoßen können“, so Stoppok.
Transparente Kommunikation und einfache Handhabung
Um einen Mangel zu melden, bestimmt man den Standort, wählt eine passende Kategorie aus, ergänzt Fotos sowie einen kurzen Kommentar und schickt die Meldung ab. Das dauert im Normalfall nur eine Minute, wie Laura Stoppok mitteilt. Nach der Freigabe einer Meldung erscheint sie dann auf der digitalen Karte. Dort ist sie für alle sichtbar und auch der aktuelle Bearbeitungsstand ist transparent in Ampelfarben hinterlegt. Wer ein Anliegen melden möchte, kann damit auch sehen, ob der Fall gegebenenfalls schon in Bearbeitung ist.

Trotz der zunehmenden Bekanntheit des Mängelmelders erhalten EGLV auch weiterhin Hinweise aus der Bürgerschaft via Telefon, E-Mail oder über die Social Media-Kanäle. Die Verwaltung und Bearbeitung dieser Hinweise erfolgt trotzdem über den Mängelmelder und das Beschwerdemanagementsystem. Die Hinweise werden dann durch einen Mitarbeitenden im System eingetragen. So ist das Anliegen transparent dokumentiert, es werden eventuelle Duplikate erkannt und die Bearbeitung kann entsprechend der eingespielten und vorgesehenen Prozesse erfolgen.
Strukturierte Prozesse bei der Bearbeitung
Nach der Anliegenübermittlung steht zunächst die grundsätzliche Freigabe der Meldung an. Hier geht es darum, zu prüfen, dass keine Personen, KFZ-Kennzeichen auf den Fotos erkennbar sind sowie niemand namentlich genannt oder beschimpft wird. Nach der manuellen Freigabe gelangt das Anliegen über das System automatisch zum zuständigen Mitarbeitenden und es wird auf der öffentlichen Karte sichtbar. Die Freigabe dauert im Schnitt 1,8 Tage – ein sehr guter Wert laut Laura Stoppok. Innerhalb dieser Zeit erhalten die Meldenden per E-Mail auch eine erste Rückmeldung zu ihrem Anliegen. Dies erfolgt automatisiert. Textbausteine beschleunigen dabei den Ablauf.

Anschließend beginnt die tatsächliche Bearbeitungszeit. Sie liegt durchschnittlich bei 13 Tagen und ist abhängig davon, wie dringlich oder komplex ein Anliegen ist. Manchmal erhalten EGLV auch Hinweise, die eigentlich für die Kommunen gedacht sind und nicht in den Verantwortungsbereich der beiden Verbände fallen. Diese leiten sie dann weiter. Der Grund hierfür liegt in der partiellen Überschneidung der Flächen etwa mit den Städten Essen, Gelsenkirchen oder Dortmund. Sie verwenden zur Anliegenbearbeitung ebenfalls den Mängelmelder der wer denkt was GmbH. Der EGLV-Mängelmelder ergänzt somit diese städtischen Systeme und bietet den Menschen in der Region die Möglichkeit, nun auch Anliegen zu EGLV-Flächen, -Anlagen oder -Gewässern an die richtige Stelle zu adressieren.
Bei der Bearbeitung der Bürgerhinweise helfen ein übersichtliches Dashboard, Wiedervorlagefunktionen oder auch hinterlegte Eskalationsstufen, die automatisiert greifen. Sobald der Mangel behoben ist und im System als „gelöst“ markiert wird, erhält der oder die Meldende eine weitere E-Mail. Das sorgt für Transparenz in der Bürgerkommunikation und schafft Vertrauen.
Hinweis: Dieser Artikel erschien im Magazin wwt – Wasserwirtschaft Wassertechnik, Ausgabe 5/2023
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