Bunte Figuren und bunte Sprechblasen. Die Figuren symbolisieren die Breite der Gesellschaft. Um mit Bürgerbeteiligung möglichst viele Menschen zu erreichen, geht die Smart City Bamberg neue Wege.
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Neue Ansätze für die Bürgerbeteiligung!? So macht’s die Smart City Bamberg

Die Stadt Bamberg ist seit 2020 eine Smart City Modellkommune. Innerhalb von 7 Jahren stehen insgesamt 17,5 Millionen Euro zur Verfügung, um die Welterbestadt zu einem Leuchtturm der Digitalisierung zu machen. Smarte neue Lösungen zu finden, ist das Ziel. Dafür hat die Stadt auch im Bereich Bürgerbeteiligung smarte und neue Wege eingeschlagen. Stadt, Universität, Wirtschaft und Zivilgesellschaft haben gemeinsam Projekte der digitalen Stadtentwicklung entworfen – dank breiter, ergebnisoffener Beteiligungsprozesse. Wie die Smart City Bamberg dabei vorgegangen ist und welche Entwicklung die kommunale Bürgerbeteiligung nehmen sollte, dazu haben wir gesprochen mit Nina Stapf (Netzwerkmanagerin beim Programm Smart City Bamberg) und Eva Heising (Beraterin für Digitalisierung und Mobilität bei der MRK GmbH).

Porträt Nina Stapf, Netzwerkmanagerin beim Programm Smart City Bamberg
Porträt Nina Stapf, Fotonachweis: Stadtarchiv Bamberg


Frau Stapf, Sie sind als Netzwerkmanagerin beim Programm Smart City Bamberg für die Veranstaltungen und Kommunikation zuständig. Dabei haben Sie sich von Beginn an für neue innovative Wege bei der Bürgerbeteiligung ausgesprochen. Warum?

Für unser ganzes Programmteam war klar: Die Bürgerbeteiligung muss beim Thema Smart City ein zentraler Bestandteil sein. Eine Smart City braucht Innovation, frische Ideen und ganz neue Ansätze. Das geht am besten, wenn sich möglichst viele Menschen mit einbringen. Die „klassischen“ Bürgerbeteiligungsverfahren, bestehend aus, Befragungen, Informationsveranstaltungen und Abstimmungen erschienen uns noch nicht bürgernah genug. Wir wollten die Probleme, Ideen, Erfahrungen und Vorstellungen der Bürger:innen zu einer smarten Stadt herauskitzeln. Daher brauchten wir neue innovative Formate, um die Bamberger:innen zu erreichen.

Logo Smart City Bamberg
Logo Smart City Bamberg

 

Wie genau haben Sie das in Bamberg umgesetzt?

Um eine Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe zu erreichen, haben wir Bürger:innen zu Multiplikator:innen unseres Projekts gemacht. Es war daher nicht (nur) die Stadt, die über das Programm informiert hat, sondern die Nachbarin von nebenan, der Student von gegenüber. Unsere Multiplikator:innen sind als Privatpersonen zunächst auf persönliche Bekannte und später auf Vereine und Institutionen zugegangen, um über das Projekt zu berichten. Sie waren das Sprachrohr des Programms und haben Zugang und Vertrauen bei den Bürger:innen erzielt. Dieser ganz neue, innovative Ansatz hat sich bewährt.

Wie sind Sie dabei vorgegangen und wo haben Sie die Multiplikator:innen gefunden?

Über einen ersten Aufruf bei unserer Auftaktveranstaltung für das Programm Smart City Bamberg im Mai 2021 haben wir bekannt gemacht, dass wir gerne gemeinsam mit den Bürger:innen die breite Stadtgesellschaft erreichen wollen. Daraufhin erreichten uns viele Bewerbungen. Auch über die unterschiedlichen medialen Wege haben wir nach Personen in der Stadt gefragt, die vernetzt sind und Lust haben mit anderen Bürger:innen über digitale Stadtentwicklung zu sprechen. Bamberg ist eine sehr aktive Stadt und es haben sich viele Leute gemeldet, von denen auch jetzt zwei Jahre nach dem Aufruf noch einige aktiv im Programm Smart City mitwirken.

Multiplikator:innen vor dem Bürgerlabor in Bamberg
Multiplikator:innen vor dem Bürgerlabor in Bamberg, Fotonachweis Smart City Bamberg


Welches Feedback haben Sie von den Bamberger:innen bekommen?

Über 180 Gespräche konnten wir in knapp fünf Monaten von Juni ‘21 bis Dezember ‘21 mit unterschiedlichsten Zielgruppen führen und dabei tolle Ideen sammeln. Natürlich gab es auch kritische Äußerungen. Teilweise haben wir auch Misstrauen und Skepsis gespürt. Wird meine Idee wirklich gehört oder versiegt sie, wie beim letzten Mal?  Ebenso kamen Vorschläge, die mit Digitalisierung an sich erst einmal nichts zu tun hatten. Etwa die Forderung, wir sollten mehr Bäume in der Innenstadt pflanzen. Dennoch haben wir auf diese neue und breite Weise der Beteiligung die Bürger:innen wachrütteln und zeigen können: Sie können sich beteiligen, sie können wirklich mitbestimmen und sie sind gefragt!

Wie ging es nach diesen Gesprächen und mit den vielen Ideen weiter?

Ein erster Höhepunkt dieser Vorarbeit durch die Multiplikator:innen auf Augenhöhe hat sich in einer Ideenschmiede Ende 2021 gezeigt. Mit knapp 130 Bürger:innen wurden an diesem Tag die Themen besprochen, die diese Bürger:innen beschäftigten. In Form eines sogenannten Open Spaces konnten die Bamberger:innen in vielen kleinen Sessions 27 Ideen diskutieren, die sie auch wirklich interessierten. Mit diesem Event konnten wir einen ersten Meilenstein auf dem neuen Weg der Bamberger Bürgerbeteiligung setzen und viele aktive Bürger:innen finden, die auch heute an den vielseitigen Themen mitwirken und die Stadt tatsächlich mitgestalten wollen. Nun gilt es weiter zu klären, wie wir dieses Ehrenamt über die nächsten fünf Jahre (Laufzeit des Programms Smart City), und natürlich auch darüber hinaus, genauso wie die Mitwirkung an den Projekten verstetigen können.

Der Digitalisierungsreferent Dr. Stefan Goller begrüßt die Bamberger:innen bei der Ideenschmiede im Oktober 2021.
Der Digitalisierungsreferent Dr. Stefan Goller begrüßt die Bamberger:innen bei der Ideenschmiede im Oktober 2021. Fotonachweis: Jürgen Schraudner, Stadtarchiv Bamberg.


Haben die üblichen Bürgerbeteiligungsverfahren Ihrer Meinung nach ausgedient?

Überhaupt nicht! Es gibt in vielen formellen Verfahren auch durch Gesetze und Verordnungen vorgeschriebene Beteiligungsformate. Die wird es und muss es auch weiterhin geben. Schließlich kann man keine Straße neu bauen, ohne die Anwohner:innen zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Einwände in das Verfahren einzubringen. Diese Form der Beteiligung ist seit Jahrzehnten bewährt, auch wenn es immer wieder negative Emotionen gibt, weil naturgemäß nicht alle widersprüchlichen Interessen voll berücksichtigt werden können.

Bei Smart City geht es aber um zusätzliche Maßnahmen und neue Ideen, die eben auch von den Bürger:innen eingebracht werden können und sollen. Also sollte immer das passende Format für den jeweiligen Zweck gewählt werden – und das kann ggf. auch etwas ganz „konventionelles“ wie eine Bürgerinformationsveranstaltung oder eine Sprechstunde sein.

Werfen wir einen Blick in die nähere Zukunft: Was sind Ihre Pläne für die Smart City Bamberg und die nachhaltige Mitgestaltung durch die Bürgerinnen und Bürger?

Die Beteiligung ist und bleibt zentraler Bestandteil in unserer Vorstellung einer smarten Stadt und soll mit weiteren neuartigen Methoden noch mehr Ideenreichtum und Engagement erzeugen. Zuletzt haben wir beispielsweise einen Hackathon mit knapp 80 Coding-Begeisterten durchführen können. Dieses Format soll mit unterschiedlichen Partner:innen in der Stadtgesellschaft in den nächsten Jahren wiederholt werden.

Programmleiter Sascha Götz und Prof. Dr. Daniela Nicklas
Programmleiter Sascha Götz und Prof. Dr. Daniela Nicklas (Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Mitglied des Leitungsgremiums des Smart City Research Lab) begrüßen beim Hackathon. Fotonachweis: Sonja Seufferth, Stadtarchiv Bamberg.

Gemeinsam mit einer aktiven Bürger:innengruppe sind wir gerade dabei eine Engagementplattform zu etablieren, auf der Stadtgesellschaft und Verwaltung gemeinsam an künftigen Projekten arbeiten und Ideen eingetragen werden können. Als ersten Auftakt gab es hier nun im Februar ‘23 einen Workshop, um die gemeinsame Zusammenarbeit und die Rollen zu definieren. Auch andere Kommunen in Deutschland interessieren sich für eine solche Plattform. Deshalb sind wir im Austausch und in Kooperationsgesprächen mit Städten wie Würzburg oder Kiel, denn viele geförderte Modellprojekte Smart Cities stehen hier vor ähnlichen Herausforderungen, die wir gemeinsam noch smarter lösen können. Wir wollen erreichen, dass auch nach der Förderung durch das Programm Smart City Bamberg Bürgeranliegen und die Beteiligung mit Ideen und Vorschlägen nachhaltig und langfristig etabliert werden können.

Frau Heising, Sie sind als Beraterin für Digitalisierung und Mobilität bei der MRK GmbH tätig und unterstützen die Stadt Bamberg als Multiplikatorin und Projektentwicklerin. Wie sieht Ihre Arbeit aus?

Im Jahr 2021 hat Smart City Bamberg einen breiten, offenen und hybriden Prozess der Beteiligung gestartet. In dieser Zeit bin ich mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen und Gruppen ins Gespräch gekommen über „digitale Stadtentwicklung“. Im Jahr 2022 lag der Fokus des Programms auf der Entwicklung von Projektideen und Skizzen, in denen konkrete Ideen gemeinsam mit den Ideengeber:innen aus der Bürgerschaft formuliert wurden. Sehr gespannt bin ich auf die nächste Phase der Projektlaufzeit: gemeinsam mit anderen Modellkommunen wird Smart City Bamberg eine neue Form der digitalen Beteiligung ermöglichen. Es geht kurz gesagt darum, die Felder Ehrenamt, offenes Engagement und Beteiligung zu verbinden und in einem Prozess der gemeinsamen Projektentwicklung zusammenzuführen. Ich freue mich sehr darauf, ein Teil dieses Prozesses zu sein.

Porträt Eva Heising, Beraterin für Digitalisierung und Mobilität bei der MRK GmbH
Porträt Eva Heising

Dieser neue Beteiligungsansatz entspricht Ihrer Vision von Bürgerbeteiligung. Was kritisieren Sie an den üblichen kommunalen Bürgerbeteiligungsansätzen?

Die kommunale Bürgerbeteiligung sieht heute meist so aus: Bereits laufende, festgeschriebene Bau- und Planungsvorhaben werden mit Interesse und Bedarf, Vorstellungen und Wünschen von ortsansässigen Menschen abgeglichen. Diese Form der Beteiligung erfolgt in Planungsverfahren erst nachgelagert. Sie ist fest strukturiert, formalisiert und einseitig. Die Stadt beteiligt die Bürger:innen. Menschen werden beteiligt – und werden durch die Teilnahme an solchen Beteiligungsverfahren zu Objekten der Stadtentwicklung.

Stattdessen wünschen Sie sich eine neue Form der Beteiligung – das „Public Self Engagement“. Was genau verstehen Sie darunter?

Uns fehlt eine Kultur der offenen, vorgelagerten, nicht formalisierten Beteiligung. Eine Beteiligung, bei der Menschen nicht als Subjekte einer als bürokratisch empfundenen Stadtverwaltung agieren, sondern als befähigte Zivilgesellschaft. Eine Beteiligung, die durch Bürger:innen, durch Akteur:innen und Gruppen selbst angestoßen werden darf. Wir brauchen einen Denk- und Handlungsraum, in dem jeder die Möglichkeit bekommt, sich aus festen Strukturen und Abläufen zu emanzipieren. Es muss dabei möglich sein, frei und offen zu denken und zu handeln. Jeder sollte sich selbst in die Lage versetzen können, kommunale Fragen und Antworten zu formulieren. Das verstehe ich unter „Public Self Engagement“.

Was können bzw. sollten Kommunen tun, um solche Prozesse und eine größere Beteiligungskultur zu ermöglichen?

Was uns dafür derzeit fehlt, ist ein Kommunikationskanal aus der Zivilgesellschaft hinein in die kommunale Verwaltung. Wer diesen Weg sucht, erlebt einerseits die Vereinzelung – denn es ist schwierig, in kommunale Frage- und Antwortprozesse ganze Gruppen einzubinden. Und andererseits steht die quantitative wie qualitative Überlastung der Ansprechpersonen einer Umsetzung im Wege.

Um mehr Menschen zu aktivieren und einzubinden sollten Kommunen daher neue Beteiligungsräume erschaffen. Damit sind digitale Räume (offene Plattformen zur Beteiligung) und analoge Räume (Bürgerlabore, Maker Spaces, offene Werkstätten) gemeint, die idealerweise für hybride Formate und Prozesse genutzt werden. Wenn wir heute damit beginnen, solche Räume für eine offene Beteiligungskultur zu öffnen und Menschen früh und flexibel in Stadtentwicklungsprozesse aller Art einzubeziehen, werden wir den Wandel und die Transformation unserer Gesellschaft bestmöglich miteinander gestalten können.

Das Interview zur Bürgerbeteiligung bei der Smart City Bamberg führte Christin Pfeffer, PR-Referentin bei der wer denkt was GmbH.

Beitragsbild: © pixabay.com