Einfach mal die Bürger:innen fragen? Das ist in der letzten Zeit in vielen Kommunen die Devise. Bürgerbefragungen erleben eine Renaissance und die Kommunen setzen auf die Vorteile des erprobten Verfahrens der Bürgerbeteiligung. Denn mit Bürgerbefragungen lassen sich vergleichsweise einfach unterschiedliche Gruppen erreichen. Doch wie sorgt man für eine möglichst große Aufmerksamkeit in der ganzen Breite der Bevölkerung? Was sollte man beachten, um hohe Beteiligungszahlen zu erreichen und eine entsprechende gute Grundlage für die Auswertung zu schaffen? Marc Schäfer, Teamleiter Bürgerbefragungen bei der wer denkt was GmbH, gibt in diesem Beitrag sieben Tipps für erfolgreiche Bürgerbefragungen.
1. Interne Kommunikation: Allianzen schmieden
Den Grundstein für den Erfolg einer Befragung legen Kommunen bereits vor dem Befragungsstart – mit der internen Kommunikation innerhalb der Verwaltung. Mit der Thematik des Befragungsgegenstandes beschäftigt sich in der Regel eine bunt gemischte Gruppe von Kolleg:innen in ihrem Arbeitsalltag. Geht es zum Beispiel um die Mobilität der Zukunft, dann betrifft das neben dem Mobilitätsreferat häufig auch das Klimaschutzmanagement, andere Bereiche der Stadtentwicklung oder den Bereich Wirtschaftsförderung. Die Ergebnisse von kommunalen Befragungen sind daher für verschiedene Abteilungen relevant. Daher sollten sie einerseits vorab über die Durchführung der Befragung informiert werden. Andererseits können sie so auch bei der Verbreitung aktiv mit eingebunden werden.
Die Aufgabe: unterschiedliche Zielgruppen identifizieren und wichtige Multiplikator:innen finden.
Die interne Vernetzung bringt einen weiteren Vorteil: Häufig haben die Kolleg:innen aus anderen Abteilungen in ihrem Arbeitsalltag mit unterschiedlichen, auch nicht-städtischen Akteur:innen zu tun. Diese sind womöglich ebenfalls an den Ergebnissen der Umfrage interessiert und lassen sich als Multiplikator:innen daher auch bei der Verbreitung und Bewerbung mit einbinden.
Allianzen auf lokalpolitischer Ebene sind für erfolgreiche Bürgerbefragungen ebenfalls wichtig.
Insbesondere Politiker:innen in öffentlichkeitswirksamen Ämtern erhalten innerhalb und außerhalb der Verwaltung eine höhere Aufmerksamkeit. So fühlen sich Bürger:innen erfahrungsgemäß eher dazu motiviert, an einer Umfrage teilzunehmen, wenn die Bürgermeisterin bzw. der Bürgermeister persönlich dazu einlädt. Steuern Politiker:innen oder bekannte Verwaltungsmitarbeiter:innen Zitate für die Pressearbeit bei, erhalten die jeweiligen Befragungen in der Regel auch mehr Aufmerksamkeit bei der Bürgerschaft. Darüber hinaus wird so signalisiert, dass die Umfrage und das daraus resultierende Meinungsbild von (lokal)politischer Bedeutung sind. Das erhöht die Relevanz und die Motivation zur Teilnahme.
2. Externe Kommunikation: Alle relevanten Kanäle bespielen
Mit der Pressearbeit geht es dann auch in die Außenkommunikation. Diese sollte selbstverständlich crossmedial sein. So können Kommunen am besten die unterschiedlichsten Gruppen erreichen. Dafür braucht es aber auch eine zielgruppengerechte Sprache und ein zielgruppenspezifisches Vorgehen. Eine Umfrage unter Jugendlichen erfordert eine andere Ausrichtung als eine Befragung von Senioren oder Eltern. Für jede Befragung braucht es somit eine angepasste Kommunikationsstrategie mit unterschiedlicher Gewichtung der verschiedenen Medien. Folgende Möglichkeiten bieten sich den Städten und Gemeinden dafür unter anderem:
a) Städtische Kommunikationskanäle
Naheliegend ist die Nutzung gängiger städtischer Kommunikationskanäle, die für die allgemeine Information der Bürgerschaft verwendet werden. Die Pressemitteilung in der Lokalpresse, ein Beitrag auf der städtischen Website, ein Hinweis auf Beteiligungs- und Informationsplattformen der Stadt, ein Aushang (z. B. in Schaukästen für amtliche Bekanntmachungen), Flyer oder Straßenplakate: Die Möglichkeiten sind vielseitig. Wenn zusätzliche Kanäle wie ein städtischer Newsletter, E-Mail-Verteiler, städtische Apps oder Gruppen in Messengerdiensten (wie etwa WhatsApp oder Telegram) existieren, sollten Kommunen auch diese Wege für die Bewerbung einer Bürgerbefragung nutzen. Zusätzlich können auch städtische Veranstaltungen (online und offline) die Gelegenheit bieten, um auf aktuelle Befragungen aufmerksam zu machen.
b) Social-Media-Kanäle
Soziale Medien sind für viele Menschen die erste Anlaufstelle, um sich über das lokale Geschehen zu informieren. Sie spielen daher auch bei der Bewerbung von Bürgerbefragungen eine wichtige Rolle. Facebook, Twitter, Instagram und Co. sollten aktiv für die Bewerbung einer Umfrage genutzt werden. Ergänzend sollten Kommunen auch die Verbreitung etwa über lokale Gruppen bei Facebook und Co. ins Auge fassen. Je nach Zielgruppe der Befragung kann es ratsam sein, über die übliche Kommunikationsstrategie hinaus weitere Social-Media-Plattformen in die Bewerbung der Befragung miteinzubeziehen.
Social-Media-Kanäle immer zielgerichtet und zielgruppenorientiert einsetzen
Die passende Ansprache ist bei Social-Media-Kanälen entscheidend – nur dann bringt sie einen Nutzen für die Umfrage.Zudem sollten sich Kommunen bewusst sein: Bürger:innen sind in sozialen Medien eine offene Kommunikationskultur und kurze Reaktionszeiten gewohnt. Dementsprechend ist die Erwartungshaltung, in unmittelbaren Austausch mit der Kommune treten zu können, erfahrungsgemäß hoch.
c) Gesellschaftliche Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
Die richtigen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren spielen insbesondere bei der Miteinbeziehung von schwer erreichbaren Zielgruppen eine wichtige Schlüsselrolle. Dabei sollten Kommunen darauf achten, die gesellschaftlichen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren frühzeitig und persönlich in den Kommunikationsprozess einzubinden. Gegebenenfalls ist es hilfreich, ihnen bürgernahe Hintergrundinformationen zur Verfügung zu stellen. So wird einerseits das Wissen über die anstehende städtische Befragung früh in der Bürgerschaft gestreut. Andererseits kann eine persönliche Ansprache von nicht-städtischer Seite zusätzlich zur Teilnahme motivieren.
Eine Multiplikatorenfunktion können zum Beispiel aktive Vereine bzw. Organisationen auf lokaler Ebene, aber auch engagierte Gemeinschaften, Bildungseinrichtungen (örtliche Schulen), Religionsgemeinschaften oder weitere Institutionen haben. Wichtige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sind zudem Stadtteil- bzw. Quartiersmanager:innen oder auch Initiativen für Migrantinnen und Migranten sowie Geflüchtete, die insbesondere schwer erreichbare Bevölkerungsgruppen mit niedrigschwelligen Angeboten sowie Unterstützungsleistungen einbinden können. Sollen ältere Bevölkerungsgruppen erreicht werden, lohnt es sich Strategien dazu in enger Zusammenarbeit mit lokalen Expertinnen und Experten wie dem Seniorenbeirat bzw. dem Fachbereich Senioren einer Kommune zu erarbeiten.
Wichtig bei allen Kanälen: Spielregeln transparent kommunizieren
Für den Erfolg einer Befragung ist es von großer Relevanz, dass Kommunen ganz klar kommunizieren, welches Ziel sie mit der Umfrage verfolgen. Geht es um ein Stimmungsbild, das zunächst in den Stadträten weiter diskutiert und erst später in Entscheidungen mit einbezogen wird? Werden die Umfrageergebnisse gegebenenfalls in sich anschließenden Beteiligungsverfahren weiter diskutiert und bearbeitet? Oder legen die Umfrageergebnisse den Grundstein für politische Entscheidungen? Hier ist Transparenz gefragt, um Klarheit und Verfahrenssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen und weitgehend auszuschließen, dass Erwartungen enttäuscht werden.
3. Design: Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte
Es braucht ein ansprechendes und einheitliches Design mit hohem Wiedererkennungswert. Plakate, Flyer, Social Media Beiträge, Website-Banner, Pressebeiträge: Das Ziel ist immer, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Nur dann kommt die Botschaft beim Gegenüber an und es können Teilnehmende für Umfragen rekrutiert werden. Lange Texte bleiben nicht im Gedächtnis, starke Bilder schon. Das sollten Städte und Gemeinden daher auch bei der Außenkommunikation zu Bürgerbefragungen bedenken. Neben Bildmaterial mit direktem Bezug zum Befragungsgegenstand eignen sich zum Beispiel (Natur-)Aufnahmen der Kommune selbst. So lässt sich durch eine bestimmte Bildsprache regionale Verbundenheit schaffen und das Thema ortsspezifisch umrahmen.
4. Zeitmanagement: Frühzeitig anfangen und gut vorbereiten
Interne Absprachen in der Verwaltung, Multiplikator:innen definieren und einbeziehen, die Kommunikationsmedien zielgruppenspezifisch auswählen und formulieren – dies erfordert umfangreiche Vorarbeiten, die für erfolgreiche Bürgerbefragungen jedoch ganz entscheidend sind. Daher sollten Kommunen frühzeitig ein inhaltliches und zeitliches Kommunikationskonzept entwickeln. Dieses beinhaltet: definierte Zielgruppen, geeignete Kommunikationsmedien sowie die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Verwaltung und Bürgerschaft, die rechtzeitig in den Prozess mit einbezogen werden sollten. Bei knappen Ressourcen bietet es sich an, sich nur auf die relevantesten Medien zu fokussieren und diese mit großer Sorgfalt zu bespielen.
Steter Tropfen höhlt den Stein
Ebenfalls wichtig: Schon im Vorfeld sollte eingeplant werden, dass es nicht ausreicht, einmalig zu Beginn einer Befragung die Werbetrommel zu rühren. Es braucht regelmäßige öffentlichkeitswirksame Maßnahmen, um die Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme zu motivieren. Denn erfahrungsgemäß geraten Umfragen – auch nach einem großen medialen Aufschlag – wieder in den Hintergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit. Insbesondere gegen Ende des Befragungszeitraumes sollte es daher einen erneuten Aufruf zur Teilnahme geben.
Auch die öffentliche Ergebnispräsentation sowie die publikumswirksame Verbreitung der Ergebnisse der Bürgerbefragung über alle verwendeten Kommunikationsmedien sowie mit Unterstützung der eingebundenen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sollte von Beginn an eingeplant werden. Denn dies schafft Transparenz und sorgt so für Vertrauen bei den Bürger:innen. Das kommt dann auch zukünftigen Befragungen zugute: Wenn die Menschen erleben, dass ihre Ansichten und Meinungen gehört und in die (politische) Gestaltung der Kommune miteinbezogen werden, steigt die Bereitschaft zur Teilnahme an Bürgerbefragungen.
5. Aktivierung: Für Motivation sorgen
Mit einer breitgefächerten, crossmedialen, kontinuierlichen und zielgruppenspezifischen Kommunikation – auch über das Befragungsende hinaus – können Kommunen somit bereits viel für die Aktivierung der Bürger:innen tun. Eine weitere und ergänzende Möglichkeit ist der Einsatz eines sogenannten Incentives. Dieses kann als kleine Belohnung für eine zusätzliche Motivation zur Teilnahme an der Befragung sorgen. Incentives können dabei unterschiedlicher Natur sein. Individualanreize können zum Beispiel Rabattgutscheine für das städtische Schwimmbad sein, die die Teilnehmenden nach Beendigung der Umfrage erhalten. Auch Verlosungen unter allen Teilnehmer:innen, von beispielsweise zehn Kinogutscheinen, sind ein klassisches Incentive.
Eine eher symbolische Belohnung können Spendenzusagen seitens der Stadt sein, beispielsweise für jeden 10. oder 50. vollständig ausgefüllten Fragebogen eine Baumpflanzung zu finanzieren. Die Pflanzaktion könnte dann wiederum Plattform für die öffentlichkeitswirksame Verbreitung der Ergebnisse der Bürgerbefragung sein.
6. Transparenz: Eine bürgernahe Auswertung ist Pflicht für erfolgreiche Bürgerbefragungen
Mit der Präsentation der Ergebnisse haben wir einen weiteren entscheidenden Punkt erreicht, um erfolgreiche Bürgerbefragungen durchzuführen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen natürlich wissen, was die Auswertung der Umfrage ergeben hat und wie es nun damit weitergeht. Eine gute Möglichkeit dafür ist eine öffentliche Ergebnispräsentation. Diese sollte zeitlich jedoch nicht ausufern und sich auf die wesentlichen Punkte konzentrieren. Auch für eventuell noch bestehende Fragen oder Unklarheiten auf Seiten der Bürgerschaft sollte es dort Raum geben. Weiterer Vorteil einer solchen Veranstaltung: Sie erzeugt auch im Nachgang noch einmal Aufmerksamkeit bei der Stadtbevölkerung und zieht eventuell auch Menschen an, die von der Umfrage nicht oder zu spät erfahren haben.
Unabhängig davon müssen die Ergebnisse auch schriftlich aufbereitet und verbreitet werden. Normalerweise erfolgt dies in Form von mehr oder weniger langen Ergebnisberichten. Doch das Lesen oder Überfliegen ist aufwändig und kostet Zeit – Zeit, die viele Bürger:innen nicht haben oder nicht aufbringen möchten. Daher sollten Städte und Gemeinden auf ein bürgerfreundliches und leicht verständliches Format zurückgreifen, zum Beispiel auf ein Ergebnisposter. Es transportiert alle relevanten Zahlen und Ergebnisse übersichtlich auf einen Blick. Mit seiner Anschaulichkeit erzeugt ein Ergebnisposter zugleich mehr Aufmerksamkeit als ein langer Text. Somit eignet es sich auch für den Einsatz in Workshops, die sich möglicherweise anschließen, um auf Grundlage der Befragungsergebnisse die nächsten Schritte zu besprechen.
7. Langfristige Bürgerbeteiligung: Nach der Befragung ist vor der Befragung
Um erfolgreiche Bürgerbefragungen durchzuführen ist es wichtig, sie nicht nur als singuläre Maßnahme zu betrachten, denn Bürgerbefragungen können auch als Türöffner für eine langfristige Bürgerbeteiligung dienen. Eine repräsentativ und transparent durchgeführte, gut kommunizierte Bürgerbefragung schafft Vertrauen und wirkt sich positiv auf zukünftige Befragungen aus. Die Menschen machen eine gute Erfahrung, erleben, dass ihre Meinung gehört wird und sind dadurch eher bereit sich beim nächsten Mal erneut zu äußern und an einer Umfrage teilzunehmen.
Kommunen können eine Befragung aber auch ganz aktiv nutzen, um Interessenten für spätere Umfragen und für andere kommunale Beteiligungsverfahren zu akquirieren. Möglich macht das zum Beispiel ein separates Kontaktdatenformular am Ende einer Online-Befragung. So lassen sich neue Abonnenten für den städtischen Newsletter gewinnen, über den dann spätere Bürgerbeteiligungsmaßnahmen angekündigt und neue Teilnehmende gewonnen werden. Auf diese Weise können Kommunen mit jeder Bürgerbefragung die kommunale Beteiligungskultur langfristig stärken.
Über den Autor:
Marc Schäfer ist seit 2018 Teamleiter des Bereichs Umfragen & Analysen, TÜV-zertifizierter Datenschutzbeauftragter der wer denkt was GmbH sowie freier wissenschaftlicher Berater. Von 2019 bis 2022 war er Vorstandsmitglied des NRW-Forschungskollegs „Online-Partizipation“ und hat als Vertreter der wer denkt was GmbH u.a. an der Fortentwicklung des wissenschaftlichen Programms des Forschungskollegs mitgewirkt. Als Abteilungsleiter konzeptioniert und koordiniert er Umfragen und Auswertungen vor allem hinsichtlich der wissenschaftlichen Methodik und bürgernahen Zugänge.
Beitragsbild: © pexels.com