Screenshot der Online-Beteiligung zum städtischen Haushalt der Stadt Monheim am Rhein.
1x1 Bürgerbeteiligung, Allgemein, Best Practice

Bürgerhaushalte vs. Bürgerbudgets – mitreden oder mitgestalten?

„Was macht die Stadt mit meinem Geld?“ – unter dieser schlagkräftigen Fragestellung wurden und werden in zahlreichen Kommunen die öffentlichen Haushalte vor- und zur Diskussion gestellt. So genannte „Bürgerhaushalte“ oder „Ideensammlungen zum Haushalt“ sind aus der Welt der kommunalen informellen Bürgerbeteiligung kaum wegzudenken. Doch oftmals reicht es den Bürgerinnen und Bürgern nicht, „nur“ mitzureden. Sobald der Ruf nach Mitgestaltung laut wird, stehen daher Bürgerbudgets als alternatives Instrument im Raum.

Schon vor Jahren wurden Bürgerhaushalte in der Diskussion um zeitgemäße Beteiligungsverfahren von vielen als überholt bezeichnet oder gar abgeschrieben. So wurden zahlreiche Bürgerhaushalte durch Bürgerbudgets oder -fonds ergänzt oder gar abgelöst – und das mit Erfolg.

Bürgerhaushalte – ein etabliertes Konzept?

Durch “Bürgerhaushalte” werden hierzulande bereits seit mehr als 20 Jahren Bürgerinnen und Bürger über die kommunalen Haushalte und Finanzplanungen informiert. Oftmals können sie im Rahmen der Haushaltsplanung Vorschläge und Anmerkungen einbringen. Beispielsweise, an welcher Stelle man mehr Geld in die Hand nehmen müsste oder wo sich vielleicht auch Sparpotenzial verbirgt.

Inzwischen werden die Verfahren meist online abgewickelt – das spart Zeit und Geld und ermöglicht es Interessierten, sich auch abends oder am Wochenende mit den Themen ihrer Wahl zu beschäftigen. Die Herausforderung: Der Haushalt ist an und für sich ein dröges, schwieriges, komplexes Thema. Seitens der Bürgerinnen und Bürger braucht es viel Eigenmotivation, um die Thematik zu durchdringen. Denn wer weiß schon, was freiwillige Leistungen sind und dass nur hier die Kommunen Entscheidungshoheiten haben? Mittel für Pflichtaufgaben wie die Daseinsfürsorge, die Ordnungsverwaltung oder die Bauleitplanung und Bauaufsicht sind schlichtweg nicht verhandelbar. Doch dass nur ein Bruchteil der Ausgaben überhaupt zur Diskussion steht und welcher Teil das ist, ist bei vielen Bürgerhaushalten nicht ersichtlich – selbst wenn den Bürgerinnen und Bürgern Hilfsmittel wie „offene Haushalte“ oder auch kompakte Broschüren an die Hand gegeben werden.

Karte der Online-Beteiligung zum städtischen Haushalt der Stadt Monheim am Rhein - ein Beispiel für Bürgerhaushalte.
Die Karte der Online-Beteiligung zum städtischen Haushalt der Stadt Monheim am Rhein (https://mitplanen.monheim.de/)

Entsprechend schwierig ist es für die Kommunen, Bürgerhaushalte oder Ideensammlungen zum Haushalt zu erfolgreichen Bürgerbeteiligungsverfahren zu machen. Ein Positiv-Beispiel ist die Onlinebeteiligung zum Haushalt der Stadt Monheim am Rhein, die 2020 bereits zum zehnten Mal die Bürgerinnen und Bürger am Haushalt beteiligte. Dabei steht eine interaktive Ideenkarte im Mittelpunkt, die zum einen die geplanten Investitionen der Stadt intuitiv erfahrbar an den jeweiligen Wirkungsstätten verortet – und es den Mitmacherinnen und Mitmachern gleichzeitig ermöglicht, eigene Vorschläge und Ideen einzugeben. Diese werden geprüft, um festzustellen, ob sie haushaltsrelevant sind und in die Zuständigkeit der Stadt fallen. Alle Investitionen und Bürgerschaftsideen, die diese Prüfung erfolgreich bestehen, können außerdem kommentiert und bewertet werden. Zudem gibt die Stadt eine konkrete Rückmeldung zu den Ideen. Vor allem dieser Rückkanal ist zentral für den Erfolg des Verfahrens.

An anderer Stelle sind zahlreiche Bürgerhaushalte nach und nach zu alljährlichen Wunschkonzerten verkommen. Dabei richten die immer gleichen Akteure die immer gleichen Ideen an die Kommune und ärgern sich dann, wenn diese wieder einmal nicht umgesetzt werden. Die Gründe dafür liegen zumeist darin, dass die Ideen sich nicht auf die freiwilligen Leistungen beziehen, nicht finanzierbar sind oder nicht in die Zuständigkeit der Stadt fallen. Zahlreiche Bürgerhaushalte scheitern daher einerseits daran, dass es nicht gelingt, viele Menschen mit unterschiedlichen Interessen zu aktivieren. Andererseits bewirken zu enge Grenzen der Haushaltsplanung, dass kreative und wichtige Ideen keine Chance haben. Darüber hinaus sind einige Bürgerhaushalte auch zu allgemeinen Ideensammlungen geworden, die an und für sich mit der kommunalen Haushaltsplanung relativ wenig zu tun haben.

Bürgerbudgets für konkrete Projekte

Aus diesem Grund wurden in vielen Kommunen statt Beteiligungsformaten zum städtischen Haushalt so genannte Bürgerbudgets (Bürgerfonds, etc.) eingeführt – als Ergänzung oder Ersatz. Das Konzept ist nicht neu, gewinnt aber zunehmend an Popularität. Hierbei stellt die Kommune aus dem Budget für freiwillige Leistungen meist jährlich einen festen Betrag zur Verfügung, der für Bürgerideen und -projekte eingesetzt werden soll. Für das Wuppertaler Bürgerbudget stehen 2021 beispielsweise 200.000 € zur Verfügung, davon allein 20.000 € für so genannte „Mikroprojekte“. Im Jahr 2019 wurde in Wuppertal bereits ein Bürgerbudget erfolgreich durchgeführt. Im Zuge dessen wurde beispielsweise die Einrichtung eines Queeren Zentrums Wuppertal oder auch die Spielplatzinitiative Neuenhaus unterstützt.

Grafik zum Ablauf des Bürgerbudgets 2021 in Wuppertal (www.talbeteiligung.de)
Ablauf des Bürgerbudgets 2021 in Wuppertal (www.talbeteiligung.de)

Auch in Graz läuft 2021 ein Bürgerbudget mit ähnlichen Regeln und Voraussetzungen, hier sogar mit 300.000 € für gute Projekte für die Stadt. Auch wenn in vielen Bürgerbudget-Verfahren der Ablauf zunächst sehr komplex und unübersichtlich erscheint, sind die verschiedenen Schritte durchaus nötig und angemessen. Denn einerseits geht es darum, gemeinwohlorientierte, sinnvolle, stadtbezogene Ideen auszuwählen. Andererseits ist es wichtig, die Bürgerschaft in möglichst viele Prozess-Schritte einzubeziehen. So wird sichergestellt, dass das zur Verfügung stehende Geld sinnvoll eingesetzt wird.

Dennoch werden die Bürgerbudgets bei der Bevölkerung gut angenommen. Der Grund: hier existieren klare Spielräume und die Ergebnisse sind schnell sichtbar. Oftmals werden in einer Kombination aus vor-Ort-Aktionen und Online-Verfahren Ideen und Projekte gesammelt. Sie werden anschließend auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft, von den Bürgerinnen und Bürgern oder einer Jury bewertet und abschließend eine Top-Liste zur Umsetzung freigegeben.

Zum Konzept der Bürgerbudgets empfehlen wir folgendes Interview mit Theresa Lotichius, Geschäftsführerin der wer denkt was GmbH. Es zeigt die Perspektive eines externen Dienstleisters auf das Format Bürgerbudget: Link zum Youtube Video

Weitere spannende Videos und Informationen rund um das Format der Bürgerhaushalte hat die Akademie für lokale Demokratie e.V. im Themenschwerpunkt Bürgerbudget zusammengestellt.