Person beim Ausfüllen eines Fragebogens. (Digitale) Bürgerbefragungen sind ein beliebtes Instrument der Bürgerbeteiligung.
Umfragen

Trend Bürgerbefragungen – Meinungen im kommunalen Kontext

Seit geraumer Zeit erlebt die (vermeintlich) klassische Befragung bzw. Umfrage ein Revival innerhalb der Bürgerbeteiligungsformate. Das Instrument ist im Rahmen von Einwohner- oder Bürgerbefragungen bereits seit Jahrzehnten fester Bestandteil im partizipativen Werkzeugkasten. Die fortschreitende Digitalisierung, der Wissenstransfer zwischen Theorie und Praxis sowie die wachsende Selbstverständlichkeit von Bürgerbeteiligung in kommunalpolitischen Prozessen haben dazu geführt, dass (digitale) Bürgerbefragungen nun wieder eine größere Rolle spielen. Marc-Christian Schäfer, Teamleiter Umfragen bei der wer denkt was GmbH, zeigt in diesem Beitrag, wie es dazu kam und welche Vorteile digitale Bürgerbefragungen der Politik bringen.

Veränderte Akzeptanz

Der entscheidende Punkt für das Revival von (digitalen) Umfragen ist hier die breitere Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung: Sowohl für das Format als auch für das (Haupteinsatz-)Medium Internet. Dazu kommt die Verbreitung der (meist) benötigten Endgeräte. Dies ist keine Selbstverständlichkeit. 1984 hat die Stiftung Warentest ihren Leserinnen und Lesern eine „Kleine Denksportaufgabe [gestellt]: Man braucht es nicht und trotzdem wird es wie verrückt gekauft. Was ist das? Ganz einfach: ein Heimcomputer. Wir prüften […] und suchten verzweifelt nach sinnvollen Einsatzmöglichkeiten.“ (test 1984: 17).

Heutzutage ist jede/r im Besitz eines hochleistungsfähigen Taschencomputers in Form eines Handy. Zudem lässt sich in der Bevölkerung ein Lern- bzw. Gewöhnungseffekt in Bezug auf das Format von Umfragen bzw. Befragungen feststellen, der durch den Umgang mit sozialen Medien (mit-)getragen wurde. BürgerInnen sind heutzutage gewissermaßen „befragungserfahren“. Durch (digitale) Kompetenzen werden Faktoren wie eine lange Verweildauer vor dem Bildschirm nicht mehr als störende Mehrarbeit empfunden.

Technische Voraussetzungen für digitale Bürgerbefragungen

Webangebote sind leicht zugänglich und ihre Funktionen, Bedienbarkeit und Ästhetik haben sich stetig weiterentwickelt. Daher ist es nun möglich, eine alte Methode mit neuem Geist ins Feld zu führen. Nutzende müssen sich nicht mehr länger mit einem Papierfragebogen im Klammerheft-Format zufrieden geben, der ihnen im besten Fall zugeschickt wurde, im schlechtesten Fall auf einem Amt abgeholt werden musste.

Heute rufen BürgerInnen mit einem Klick bzw. einer Suchanfrage einen technisch hochwertigen wie ausgereiften elektronischen Fragebogen auf- bzw. ab, wenn sie nicht ohnehin gleich eine persönliche (bspw. per E-Mail) Einladung zur Teilnahme erhalten. Online-Fragebögen laden spielerisch zur Meinungsabgabe ein, die gänzlich zeit- und ortsunabhängig erfolgen kann. Bequemlichkeit ist infolgedessen ein weiterer Effekt, den es zu beachten gilt. Natürlich kann und sollte auch weiterhin die Möglichkeit einer Teilnahme per Papierfragebogen bereitgestellt werden, falls BürgerInnen dennoch Vorbehalte haben oder eben das technische Endgerät fehlt. Schließlich sollen alle BürgerInnen mitmachen können. Der Blick in den Befragungsalltag zeigt aber auch: die Nachfrage nach Papierfragebögen sinkt kontinuierlich – was sicherlich auch einem allgemein gesteigerten Bewusstsein in Bezug auf Nachhaltigkeit zu verdanken ist.

Bürgerinnen und Bürger als Alltagsexpertinnen und -experten

Als AlltagsexpertInnen kann die Bürgerschaft zu (fast) allen Themen befragt und in etwaige Entwicklungsprozesse kurz- und langfristig eingebunden werden. Dies kann in unterschiedlichen Befragungsformaten geschehen, bspw. in groß angelegten sowie aufwendigen Bevölkerungsbefragungen, aber auch in kurzen, punktuellen ad hoc-Umfragen. Wie in der Bürgerbeteiligung allgemein gilt es dabei zunächst einige Sachverhalte zu beachten und mit gewissen Herausforderungen umzugehen, wenn es um die Wahl des Befragungsformats geht. Vor allem gilt es die auseinandergehenden Interessen der verschiedenen Beteiligten wie auch den behutsamen Umgang mit sensiblen Themen zu beachten.

Stichprobe oder keine Stichprobe? Das ist hier die (erste) Frage

Bei einer langfristigen wie vorausschauenden Planung können gezielt BürgerInnen für eine Stichprobe ausgewählt werden, um der soziodemografischen Struktur der Bevölkerung gebührend Rechnung zu tragen und diese repräsentativ abzubilden. Von großer Wichtigkeit ist hierbei, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen, bei denen Bedenken in Bezug auf eine geringe Anzahl von Teilnahmen bestehen, verstärkt bedacht und beachtet werden. Nur so kann die sog. Rücklaufquote, also der Anteil tatsächlicher Teilnahmen, auch in diesen Gruppen zu repräsentativen Ergebnissen führen.
Angenommen in der Population (z. B. EinwohnerInnen der Stadt Darmstadt) sind 7,5 % der Einwohner RentnerInnen. Dann kann und sollte der Prozentsatz der RentnerInnen im Stichprobendesign erhöht werden, sodass sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass letztlich in der Stichprobe genügend RentnerInnen (ca. 7,5 %) vertreten sind. Falls dies gelingt und eine ausreichende Zahl der Bevölkerung sowie der verschiedenen Subgruppen an der Befragung teilnehmen, können die Ergebnisse von der Stichprobe auf die Gesamtbevölkerung übertragen werden. Die Ergebnisse sind dann repräsentativ, sodass das erhobene Meinungsbild mit Blick auf die Bevölkerungsstärke auf ein breiteres Fundament gestellt werden kann.

Tipps & Tricks zur Fragebogengestaltung

Oftmals begegnen wir in der Praxis zwei Arten von Vorentwürfen zu Fragebögen, insofern die Konzeptionierung nicht gänzlich in unsere Hände gelegt wird: 1) die ausgearbeiteten, überbordenden Maximalaufschläge oder 2) die skizzenhafte Kontur eines Minimalinstruments. Der Königsweg liegt hier in der Mitte der beiden Extreme. Ganz allgemein achten wir darauf, dass die Dauer der Bearbeitung des Fragebogens möglichst anlassbezogen gering ist und in der Regel nicht mehr als 30 Minuten in Anspruch nimmt. Eine lange Ausfüllzeit führt dazu, dass viele Befragte nach den ersten inhaltlichen Hürden die folgenden Fragen nur noch überfliegen und / oder zufällig Antworten ankreuzen bzw. den Fragebogen erst gar nicht zu Ende ausfüllen. Es ist daher bei der Konzeption des Fragebogens wichtig, dass sich nur auf die wichtigsten Fragen beschränkt wird. Getreu dem Motto: So viel, wie nötig und so wenig, wie möglich.

Fazit

(Digitale) Bürgerbefragungen sind ein sinnvolles und zielführendes Instrument, um die Meinung der Bevölkerung zu bestimmten Fragestellungen in Erfahrung zu bringen. Auf Grundlage der Befragungsergebnisse kann die Politik bürgernahe Entscheidungen treffen und die Verwaltung kann sich an „Leitplanken“ der öffentlichen Meinung orientieren. So kann die Politik die Meinungen der BürgerInnen aktiv in ihre Entscheidungsprozesse integrieren.

Dabei erreichen wir heute mit elektronischen Online-Befragungen auch Zielgruppen, die vor zehn Jahren noch unterrepräsentiert waren. Das Instrument an sich hat sich auch immer wieder gewandelt. Befragungen im Jahr 2021 sind meist von Abwechslung geprägt, wobei eine Mixtur aus Bewährtem und Neuem zum Einsatz kommt. Etwa in Form von Fragetypen, die es ermöglichen, Meinungsäußerungen standortgenau kundzutun. Oder durch Fragebögen, die nur innerhalb einer bestimmten geografischen Region aufgerufen werden können. Auf diese Weise findet ein klassisches Instrument Anwendung, das heutzutage einerseits optisch wie methodisch wesentlich einladender und auch vertrauter wirkt, andererseits aber deutlich mehr Abwechslung bietet, als seine geistigen Vorgänger.

Über den Autor:

Marc-Christian Schäfer ist seit 2018 Teamleiter des Bereichs Umfragen & Analysen, TÜV-zertifizierter Datenschutzbeauftragter der wer denkt was GmbH und Vorstandsmitglied des NRW-Forschungskollegs „Online-Partizipation“ sowie freier wissenschaftlicher Berater. Als Abteilungsleiter konzeptioniert und koordiniert er Umfragen und Auswertungen vor allem hinsichtlich der wissenschaftlichen Methodik und bürgernahen Zugänge.

 

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